Die Pandemie und ihre Folgen – Nicole Hoffmeister-Kraut im Interview

02.02.2021 | Interview

Kanzleramtsminister Helge Braun brachte kürzlich ein Aussetzen der Schuldenbremse ins Spiel, wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?

Die Schuldenbremse ist vor Jahren schwer erkämpft worden. Sie ist eine finanzpolitische Errungenschaft im Interesse der nachfolgenden Generation. Sie ermöglicht in wirklichen Notlagen, wie der jetzigen, eine flexible Handhabung. Wer dies per Grundgesetz ändern oder längerfristig aussetzen möchte, braucht gute Argumente – die sehe ich momentan nicht.

Online Shops und Lieferdienste boomen, der Einzelhandel ist in der Krise, wie sieht die Wirtschaft nach Corona aus, welche (dauerhaften) Veränderungen sind zu erwarten?

Wir werden alles tun, um unsere lebendigen Innenstädte mit inhabergeführten Geschäften durch diese Krise zu bringen. Die Menschen sollen sich auch nach der Pandemie gerne dort aufhalten. Deshalb fördern wir ab diesem Jahr unter anderem Innenstadtberater. Und wir müssen den Digitalisierungsschub in der Wirtschaft nutzen, den wir u.a. durch unsere Digitalisierungsprämie fördern. Denn gerade digitale Technologien und Innovationen spielen eine zentrale Rolle, um gestärkt aus der Krise zu kommen.

Die Wirtschaft ist vielerorts in einer Krise, die Aktienmärkte hingegen auf Rekordniveau, wie ist die positive Stimmung an den Kapitalmärkten zu erklären und ist sie gerechtfertigt?

Der zunächst V-förmige Verlauf der Konjunkturerholung bis weit in den Herbst hinein hat die Kapitalmärkte beflügelt. Ebenso die rasche Entwicklung von Impfstoffen. Aber klar ist auch, dass die außerordentlich expansive Geldpolitik die Börsen beflügelt. Ob gerechtfertigt oder nicht – das wird die Zukunft weisen.

Click & Collect ist inzwischen wieder erlaubt, jedoch ist dem Handel, durch das zwischenzeitliche Verbot, das wichtige Weihnachtsgeschäft durch die Lappen gegangen. Wieso hat das Land hier erst so spät die Möglichkeit zum Abholen bestellter Ware wieder zugelassen?

Ich hatte mich bereits im Dezember für diese Möglichkeit stark gemacht. Die Einführung von Click & Collect Mitte Januar war überfällig. Damit konnte das mit der Schließung verbundene Sonderopfer des Einzelhandels zumindest etwas abgemildert werden. Aber langfristig müssen wir dem Einzelhandel Perspektiven geben, wenn wir unsere attraktiven Innenstädte im Land erhalten möchten.

Besonders schwierig ist die Lage derzeit in der Eventbranche und der Gastronomie, was tut das Land, um den Betrieben zu helfen?

In der Tat trifft die Pandemie diese Branchen mit am härtesten und wir tun als Land unser Möglichstes, um ihnen unter die Arme zu greifen. Das Gastgewerbe erhält je nach Betriebsgröße Zuschüsse durch unsere Stabilisierungshilfe Corona. Der Eventbranche gewähren wir Tilgungszuschüsse. Erst kürzlich haben wir die Förderbedingungen angepasst, damit noch mehr Betriebe die Hilfe in Anspruch nehmen können. Mit dem Tilgungszuschuss sind wir bundesweit übrigens Vorreiter.

In Berlin gibt es Streit um die Homeoffice-Pflicht. Viele Unternehmen tun sich nach wie vor schwer damit, ihre Angestellten von zuhause arbeiten zu lassen. Wieso ist die hiesige Wirtschaft so zaghaft?

Nach meinem Eindruck – zuletzt im Rahmen des Home-Office-Gipfels – ermöglichen schon jetzt viele Unternehmen in Baden-Württemberg ihren Beschäftigten, von Zuhause zu arbeiten. In einigen Fällen fehlen aber noch die technischen Voraussetzungen. Für Laptops bestehen derzeit beispielsweise erhebliche Lieferzeiten. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass die Unternehmen gemeinsam mit den Beschäftigten alle Anstrengungen unternehmen, um in Zeiten der Pandemie Arbeiten von Zuhause zu ermöglichen, wo immer es die jeweilige Tätigkeit zulässt.

Einige namhafte Unternehmen der Autoindustrie mussten kürzlich ihre Produktion stoppen, weil Chips aus Taiwan nicht geliefert werden konnten. Darf Europa bei Zukunftstechnologien so abhängig von fernen Weltregionen sein?

Die Corona-Pandemie wirkt sich leider gravierend auf die globalen Wertschöpfungs- und Produktionsnetzwerke aus. In der preisgetriebenen Automobilbranche sind die Lieferketten global, denn gerade der internationale Wettbewerb und die Nutzung regionaler Unterschiede in den Produktionskosten erbringen Kostenvorteile. Gleichzeitig machen die Lieferketten aber auch anfälliger für Störungen. Unsere Landesagentur e-mobil BW erarbeitet daher aktuell eine Studie, um Handlungsoptionen für unsere Unternehmen zu identifizieren.

Deutschland hinkt in puncto Digitalisierung international hinterher. Dies kann langfristig für den Wirtschaftsstandort BaWü zu Problemen führen. Was tut das Land, um Baden-Württemberg hier zukunftsfähig zu machen?

Wir haben hier ein wirklich breites Förderangebot auf die Beine gestellt: Mit unseren regionalen Digital Hubs und KI-Labs bringen wir Innovationen in der Fläche des Landes voran. Die Umsetzung von ganz konkreten Digitalisierungsprojekten im Land fördern wir mit unserer Digitalisierungsprämie Plus und KI-Vorhaben im Rahmen des KI-Innovationswettbewerbs. Und mit unserem Innovationspark KI wollen wir dafür sorgen, dass Baden-Württemberg zum Hotspot im Bereich KI wird.

Kürzlich startete das 2. Europäische Projekt zur Batteriezellforschung „IPCEI“ mit Beteiligung von vier baden-württembergischen Unternehmen. Schafft es Europa im wichtigen Bereich der Batterien in den kommenden Jahren auf eine Spitzenposition in der Welt?

In beiden europäischen Batterieprojekten sind insgesamt sogar fünf namhafte Unternehmen aus Baden-Württemberg vertreten. Das ist ein großer Erfolg, für den wir in den letzten Jahren hart gearbeitet haben. Damit haben wir beste Voraussetzungen, in Zukunft eine Spitzenstellung einzunehmen. Zusammen mit unseren europäischen Partnern sind wir auf einem guten Weg, um Baden-Württemberg zu einem international führenden Batteriestandort aufzubauen.


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